2012/10/01

Redundanz der Gasversorgung bei Vollmasken

Gemeint ist hier die Fähigkeit, beim Tauchen mit einer Vollmaske bei Störungen in der primären Gasversorgung auf eine alternative Gasversorgung wechseln zu können, ohne die Vollmaske abnehmen zu müssen. Geht das überhaupt, wenn wie bei der Vollmaske die Funktion Gasversorgung integriert ist?

Dazu existieren verschiedene Ansätze, mit jeweils eigenen, spezifischen Vor- und Nachteilen:
  • Automatentausch der 2. Stufen durch Schnellverschluss,
  • Feste Montage einer zweiten 2. Stufe,
  • Umschaltblock (Manifold),
  • Schlauch-Schnellkupplung.
Soweit ich das mit meinen Kenntnissen aus Maschinenbau, Pneumatik und auf Basis eigener Erfahrungen und Überlegungen einschätzen kann, sehe ich folgenden Eigenheiten der verschiedenen Ansätze...

Automatentausch durch Schnellverschluss


Gaswechsel genial einfach: Ziehen und Stecken.
Ganz ohne Hardware-Rekonfiguration...
Hierbei ist immer nur eine 2. Stufe an der Vollmaske angeschlossen. Die andere zweite Stufe wird griffbereit mitgeführt.
  • einfach und schnell jederzeit auch mit dicken Handschuhen durchzuführen:
    • 2. Stufe von außen(!) entriegeln,
    • 2. Stufe abziehen,
    • 2. Stufe der alternativen Gasversorgung einstecken und einrasten lassen.
  • da immer nur eine 2. Stufe immer nur mittig eingesteckt ist:
    • Atmung erfolgt immer durch die Innenmaske, wodurch auch in Notsituationen geringe CO2-Pegel von konstruktiver Seite her sichergestellt werden,
    • vermeidet eine asymmetrische Gewichtsverteilung und den damit einhergehenden nachteiligen Tragekomfort.
  • vollständige Trennung der Gasversorgungssysteme möglich:
    • ermöglicht damit auch Konfigurationen wie beispielsweise Sidemount.
  • Je nach Konstruktion kann man notfalls auch direkt aus der 2. Stufe atmen (Dräger P-Konnektor).
  • erfordert entsprechend vorbereitete 2. Stufen mit Adaptern bzw. Automatenstücken, die zum Schnellverschluss passen.
  • Baulänge insgesamt recht groß, da die Möglichkeit entfällt, durch geänderte konstruktive Bauformen die 2. Stufe optimiert zu platzieren.
Redundanzlösung mit Dräger/Apeks
Meines Wissens nach bietet allerdings nur Dräger diese sicherheitsgerichtete Funktionalität in Form ihres patentierten P-Konnektoren-Systems an. Wer mehr dazu wissen möchte, findet weitere Details bei meiner Dräger PND Konfiguration.
Wichtiger Hinweis: der Schnellverschluss der OTS Guardian funktioniert bei aufgesetzter Vollmaske nur für das Einstecken. Das Entriegeln und Lösen der 2. Stufe ist nur möglich, nachdem die OTS Guardian Vollmaske wieder vom Gesicht abgenommen wurde. Mit der OTS Guardian ist deshalb trotz der «Schnellverriegelung» kein Redundanzbetrieb mehrerer zweiter Stufen möglich.
Eigene Erfahrung: obwohl ich kein technisches Tauchen betreibe, interessiert mich das Thema und ich höre und lerne gerne von Tech-Tauchern. Das Thema Vollmaske scheint mir ein leichtes Reizthema teils aus Unwissenheit zu sein. Jedenfalls sind Gesprächspartner regelmäßig baff erstaunt, wenn sie zum ersten Mal einen Gaswechsel bei der Dräger Panorama Nova Dive sehen ... die Kenntnis, dass ein geeignetes System schon lange am Markt existiert ist halt (verständlicherweise) sehr rar.

Feste Montage einer zweiten 2. Stufe


Bei diesem Konzept wird eine weitere 2. Stufe an die Vollmaske fest angeschlossen.
  • vollständige Trennung der Gasversorgungssysteme prinzipiell möglich, allerdings sind dazu weitere Maßnahmen erforderlich, wie beispielsweise Absperrung, die letztlich indirekt durch die feste Montage beider Stufen erzwungen wird.
  • asymmetrische Gewichtsverteilung infolge der seitlich montierten zusätzlichen 2. Stufe und damit einhergehend schlechter Tragekomfort.
  • Gefahr des freien Abströmens über beide 2. Stufen infolge hoher Lieferleistungen der 2. Stufen oder bei Störungen eines einzelnen Automatens. Gegenmaßnahmen:
    • Sperrventile, um 2. Stufen einzeln zu isolieren. Achtung: bei Sperrventilen upstream/vor der 2. Stufe ist in jedem Fall sicherzustellen, dass ein Überdruckventil vorhanden ist. Dieses kann entweder an der ersten Stufe oder am Sperrventil verbaut werden.
  • Gefahr höherer CO2-Pegel, wenn ohne Innenmaske über die zweite 2. Stufe geatmet wird.
Meine Meinung: Bei diesem Thema liegt für mich noch einiges im Argen. Diese Art der Konfiguration wird in Katalogen und eShops einiger Hersteller und Distributoren als Option angegeben. Dass damit aber eine Menge weiterer Details in der Gesamtkonfiguration unbedingt noch anzupassen sind, bevor eine sichere Konfiguration überhaupt erreicht wird, wird dem Kunden aber in aller Regel nicht verdeutlicht. Je nach Konfiguration kann eine unbedacht eingebaute Redundanzlösung sogar die Verfügbarkeit deutlich reduzieren und birgt bis hin zu tödlichen Gefahren bei falscher Konfiguration. Zwei abströmende 2. Stufen im Kurzschlussbetrieb müssen unbedingt vermieden werden!
Vorbildlich: Die einzige hier mir bekannte zertifizierte Konfiguration kommt von Dräger für die Panorama Nova Dive und nur zusammen mit den Dräger-eigenen Shark-Stufen. Aqualung weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Doppelkonfiguration (also zwei gleichzeitig eingesteckte Automaten) mit Apeks TX100 2. Stufen nicht zertifiziert und potenziell gefährlich ist. Geht doch!
Meines Wissens nach bieten Scubapro, Ocean Reef sowie Dräger diese Möglichkeit an ihren Vollmasken an. Bei Dräger würde ich aber, zumindest im Bereich des Sporttauchens, lieber den Automatentausch dank des Schnellverschlusses nutzen. Zugleich ist bei dem Drägersystem damit das Problem der asymmetrischen Gewichtsverteilung und des Atmens immer durch die Innenmaske zufriedenstellend gelöst.


Umschaltblock


Diese Variante ist vor allem im kommerziellen Umfeld gängig und wird beispielsweise in den Unterlagen von Kirby Morgan zum Umgang mit ihren Vollmasken sehr schön beschrieben. Bei den üblicherweise an den Vollmasken fest montierten 2. Stufen wird hierbei auch nicht mit unter Wasser lösbaren Schnellkupplungen (siehe unten) gearbeitet. Stattdessen kann bei Problemen mit der primären Gasversorgung (typischerweise die Oberflächenversorgung) der Taucher auf seine mitgeführte Ersatz-Gasversorgung umschalten.

Der Schwerpunkt bei diesem System liegt somit auf dem Sicherstellen der Gaszufuhr bis zur zweiten Stufe. Probleme mit der 2. Stufe können damit nicht adressiert werden.
  • Redundanz in der Gasversorgung, allerdings nur bis (vor) die 2. Stufe.
  • Vermeidet das Umstecken von Schläuchen und damit das Eindringen von Wasser beim Steckvorgang unter Wasser.
  • Rascher und einfacher Umschaltvorgang.
  • Keine Hilfe bei Störungen in der 2. Stufe der Vollmaske.

Schlauch-Schnellkupplung


Vorab: es gibt zwei Arten von Schnellkupplungen ... solche, die sich auch unter Druck lösen und stecken lassen und solche, die unter Druck automatisch verriegelt sind. Letztere werden beispielsweise in Konfigurationen für Special Operations (Rettungskräfte, Feuerwehr, Polizei, ...) verwendet.

Im Folgenden betrachten wir aber nur Schnellkupplungen, die sich auch unter Druck lösen und stecken lassen.
  • technisch vergleichsweise einfach.
  • Hantierung mit dicken Handschuhen?
  • beim Einstecken unter Wasser gelangen kleine Mengen Wasser in das Gasversorgungssystem, insbesondere die 2. Stufe. Damit ist eine Revision erforderlich: annehmbar beim Notfall ... wenn aber solche Schnellkupplungen in der Ausbildung und bei Übungen aktiv gesteckt werden, ist der Revisionsstatus der 2. Stufe unklar.
  • keine Hilfe bei Störungen in der 2. Stufe der Vollmaske, da keine vollständige Redundanz der Gasversorgung möglich ist: bei Fehlfunktionen in der 2. Stufe kann hierüber nur der Fehler isoliert werden. Es ist trotzdem der Wechsel auf eine alternative 2. Stufe nötig, in aller Regel mit Wechsel auf Halbmaske (es sei denn, die Schnellkupplung fungiert nur als Sperrventil).

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