2012/10/01

Vollmasken-Drill: Das Konzept

Angenehme Tauchgänge auch im saukalten Wasser (Happurger Baggersee, BY/D)

«You know the drill» ... oder auch vielleicht noch nicht, weil brauchbare Informationen über den sicherheitsbewussten Umgang mit Vollmasken nicht so einfach an jeder Straßenecke zu bekommen sind.
ACHTUNG! Ich bin kein Ausbilder und gebe hier keine Ausbildungsanweisungen. Die nachfolgenden Übungsbeschreibungen entstanden aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und spiegeln keinesfalls eine von Tauchsportverbänden anerkannte Ausbildung wieder. Ihr müsst für euch selbst und auf eigene Gefahr entscheiden, inwiefern ihr von meinen Übungsbeschreibungen Gebrauch machen wollt. In jedem Fall ersetzen diese nicht eine Ausbildung unter der Überwachung durch einen zertifizierten Ausbilder entsprechend der tagesaktuellen Richtlinien von Tauchsportverbänden.
Die heute in den Tauchsportverbänden gängige Grobstruktur bei der Ausbildung zum Tauchen mit Vollmasken folgt der üblichen Dreiteilung, wobei wir uns hier nur für den praktischen Anteil in Form der Spiegelpunkte 2. und 3., mithin den «Drill», interessieren:
  1. theoretische Grundlagen und Vorgehensweisen,
  2. Übungen bzw. Drill im Pool oder begrenzten Freiwasser,
  3. Prüfungstauchgänge zum Vervollständigen des Drills im Freiwasser.
Tja, damit klinge ich mit meinem gleich folgenden erweiterten Vollmasken-«Drill» dann wohl inzwischen fast schon so wie die harten Jungs vom C*M*A*S*H Tauchspottverband. So weit ist es also mit mir gekommen.

Das Prinzip der Drill-Runden


Das Prinzip ist einfach: ein Satz Drill-Aufgaben wird rundenweise unter stetig widrigeren Bedingungen wiederholt. Die Anzahl der «Runden» unterscheidet sich dabei:

Runde Drill-Schwierigkeit kommerzielle Ausbildung in den Verbänden:
PADI, SSI, SDI
TheDiveO Drill
11 Pool

ja, Übung
ja

2 Pool
frei tarierend
ja
3
Pool Kopfhaube und Handschuhe

ja
4 4 Pool Kopfhaube und Handschuhe frei tarierend
ja
5 5 Freiwasser Kopfhaube und Handschuhe
ja, Prüfung
ja
6 6 Freiwasser Kopfhaube und Handschuhe frei tarierend
ja

Letztlich besteht die heute gängige kommerzielle Ausbildung dabei nur aus den Runden 1 und 5. Es gibt sicherlich verschiedene Gründe für diese Form, wie beispielsweise Kosten der Ausbildung, begrenzte Motivation der Schüler und Zeitdauer. Solche Argumente sind aber nicht wirklich spezifisch für das Tauchen mit Vollmasken, sie sind ein ernsthaftes Problem generell in der Ausbildung, nicht zuletzt beim Sporttauchen. Und doch liegt hier meiner Meinung nach schon eine spezielle Situation in Bezug auf das Tauchen mit Vollmasken vor:
Meine Meinung: vor dem Hintergrund der immer wieder geäußerten Ablehnung aufgrund angeblicher Tauchunfälle, die durch Vollmasken ausgelöst worden sein sollen, sollten wir Vollmasken-Taucher vielleicht gerade dem durch eine exzellente Ausbildung entgegentreten. Letztlich tun wir uns auch direkt selbst einen Gefallen: zu unserer eigenen Sicherheit.
Die Runde 2 stellt einen alternativen Weg als Vorbereitung auf eine Art zusammengelegte Runde 3+4 dar. Letztlich kommt es auf die Lernfähigkeit und Geschicktheit des Vollmasken-Schülers an, ab diese Runde sinnvollerweise eingeschoben wird oder nicht.

Die Runden 3 und 4 können zusammengelegt werden, wenn der Vollmasken-Aspirant bereits über ausgeprägte Fähigkeiten beim Sporttauchen verfügt, wie das problemlose freie Tarieren mit Kopfhaube und Handschuhen beispielsweise beim Schießen von Bojen, und mit Störungen des erwarteten Ablaufs gut zurecht kommt.
Klarstellung: nein, mit «Tarieren mit Kopfhaube» ist nicht gemeint, die Kopfhaube zum Tarieren zu benutzen, weil das Jacket geplatzt und der Trocki vollgelaufen ist. Diese Variante überlasse ich der C*M*A*S*H-Ausbildung für fünf Sterne.
Leider ist die heute in aller Regel gängige (kommerzielle) Ausbildung meines Wissens nach bei den Tauchspottverbänden auf die Runden 1 und 4 beschränkt. Die logische Konsequenz daraus müsste eigentlich sein, dass derart ausgebildete Taucher immer eine Plattform oder einen Satz Schwimmbad-Kacheln bei jedem Tauchgang mit Vollmaske mitführen müssten.
Meine Erfahrung: die Runden 3 und 4 sind weder einfach noch sehr angenehm, weil die Pools teilweise zu warm sind. Ich habe mit 5mm Kopfhaube und 5mm Handschuhen bei 23°C Wassertemperatur geübt, und mir ist anfangs nach einer Tarierrunde mit Maskentausch vor und zurück die Schweißbrühe in der Vollmaske heruntergeronnen.

Ausbildung in Zukunft?


Runde 4: Vollmaske frei tarierend aufsetzen.
(Im Sauerkraut Aufkirchen, BY/D)
Das Grundproblem ist, wie bereits angesprochen, nicht spezifisch für die Thematik Vollmaske. Letztlich stehen Schüler und Ausbilder vor der immer wiederkehrenden Frage: «wie sicherheitsbewusst muss ich für die jeweiligen Umgebungsbedingungen sein, in denen ich tauche?». Klar: ausreichend sicherheitsbewusst ... aber wie viel ist das?

Natürlich darf ein Drill weder in eine Kampftaucherausbildung ausarten, noch den Spaß am Tauchen nachhaltig schädigen und vor allem aber auch keine falsche Sicherheit suggerieren. Respekt vor dem Tauchen und den Grenzen, sowie Vertrauen in das eigene Können sollten Ziel des Drills sein.

Vor dem Hintergrund unserer heimischen kalten Gewässer mit teilweise schlechter Sicht sehe ich deshalb die oben aufgeführten Runden als eine sinnvolle Auslegung des Begriffs «sicherheitsbewusst» an.

Für einen Schüler am erträglichsten ist dann wohl die Rundenreihenfolge 1, 3, 5 (1. Prüfung) und dann 2, 4, 6 (Abschluss). Ich bin so realistisch, dass eine solche Ausbildung kommerziell in den Tauchspottverbänden nicht umsetzbar ist, zumal das Verständnis dafür auch bei manchen Kunden fehlen dürfte.

Aus meiner eigenen Erfahrung heraus hätte ich mir aber eine solche Begleitung und Hilfe gewünscht ... und auch bezahlt. So habe ich halt 1 und 3 zunächst mir selbst beigebracht, dann 1 und 5 offiziell brevetieren lassen (und dabei 2 einfach aus dem Stand und ungeprobt gemacht), um dann selbst mit Runde 4 weiterzumachen. Runde 6 habe ich inzwischen inklusive des freitarierenden Wiederaufsetzens der Vollmaske im Freiwasser (in 8-9m Tiefe bei 10°C «warmen» Wasser) ebenfalls praktiziert.
Meine Erfahrung: der zeitliche Aufwand ist schon enorm, aber mir ist er es wert. Hinzu kommen natürlich Kosten für Fahrten und Eintritte in ein Indoor-Tauchcenter, um die Übungen in Eigenregie vernünftig durchführen zu können. Dabei besteht eine Runde bei mir nur zu vielleicht einem Drittel der Zeit aus den eigentlichen Übungen in mehrfacher Wiederholung, den Rest der Zeit eines Tauchgangs nutze ich zur Entspannung und für weitere Übungen, wie Aufstiegsübungen und Boje schießen.
Was ich persönlich als schade empfinde: wenn im Pool manche demnächst nach Ägypten reisenden Taucher beim Wiederaufwärmtraining ganz vorsichtig ihre Masken nur ein wenig fluten und sich zum Schießen der Boje erst einmal auf die Kacheln hocken. Dazu ihre erstaunten Blicke, wenn ich frei tarierend Masken tausche und Bojen schieße. Seufz. Dann ist wirklich etwas in der allgemeinen Ausbildung nicht ganz richtig. Es geht nicht um Schau, sondern um eine gewisse Sicherheit; es muss auch wirklich nicht perfekt sein.
Für die Vorbereitung in Form der Runden 1 und 3 habe ich etwa vier Stunden im Pool investiert. Die Runden 4 und 6 habe ich inzwischen circa sechs Stunden im Pool trainiert. Hinzu kommt noch circa eine dreiviertel Stunde Übungszeit für die Runden 5 und 6 im Freiwasser außerhalb der Prüfungsrunde. Dabei habe bin ich auch einmal aus sieben Metern Tiefe mit der 2. Stufe der Dräger-Vollmaske direkt im Mund ausgetaucht, um diese Extremsituation durchzuspielen. Es geht, ooOOOOOOO....

Warum dieser Drill?


Warum nun überhaupt dieser doch recht umfangreiche Drill bei der Ausbildung lediglich an der Vollmaske? Auch auf die Gefahr hin, hier wie ein gewisser C*M*A*S*H-Verband zu klingen: angesichts der teilweise nicht einfachen Tauchbedingungen in den heimischen Gewässern sollte meiner Meinung nach ein Vollmaskentaucher auch mit unangenehmen Situation zurechtkommen, ohne dass es Spitz-auf-Knopf kommt, wenn es mal nicht wie im Pool ist.

Dazu ist für mich ein wesentlicher Baustein, die Vollmaske auch freitarierend und mit dicker Kopfhaube und dicken Handschuhen noch sicher handhaben zu können.

Das Wiederaufsetzen mag dem einen oder anderen als überkandidelt erscheinen ... ich sehe diese Übung schon als wichtig an, um eine gute Körperbeherrschung, Beherrschung der Ausrüstung und einen gelasseneren Umgang mit Störsituationen zu erreichen. Ich kann aber genauso gut nachvollziehen, wenn man diese Übung mehr als Kür denn als Pflicht betrachtet.

Mehr Details


Weiter geht es zu den Details der Runden und Übungen. Wer's mehr bunt und bewegt mag, schaut erst einmal in die Drill-Videos hinein.

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PS: Vielen Dank an Jörg Lucinski für die Aufnahme am Happurger Baggersee. Das weitere Bildmaterial stammt aus meinem eigenen Fundus.

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